Morgens nehme ich mir vor, ruhig und gelassen zu bleiben. Am Abend stelle ich zu Hause fest: Es kam alles anders als geplant – die Nerven liegen blank. Kann man da gelassen bleiben?
Der römische Philosoph Epiktet (50–138), der als Sklave nach Rom kam, hatte bereits vor rund 2000 Jahren eine wichtige Erkenntnis:
Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern unsere Vorstellungen von den Dingen. Ich entscheide, wie ich auf etwas reagieren möchte.
Denn: Meine Gedanken und Meinungen prägen meine Gefühle. Eine Veränderung im Leben oder in der Gesellschaft lässt sich ganz verschieden bewerten. Eine Krankheit oder ein Schicksal können uns aus der Bahn werfen – oder einen neuen Weg zeigen.
Als Familie haben wir das selbst erlebt. Die Behinderung eines Kindes hat zunächst alle Pläne und Erwartungen in Frage gestellt. Wir haben gelernt: Das Leben fragt nicht nach unseren Wünschen. Dinge geschehen, ob sie uns passen oder nicht. Und nun kommt es darauf an, welche innere Einstellung wir einnehmen. Im Klagen und Jammern verharren oder – einen neuen Weg einschlagen. Es ist unsere Freiheit, sich für eines von beiden zu entscheiden. Nach und nach, im Laufe der Jahre, haben wir entdeckt, dass schwierige Zeiten der beste Lehrmeister für mehr Gelassenheit sein können. Viel Mühsames bleibt – aber die wertvollen und freudigen Momente sind auch da. Es gibt immer einen Grund, dankbar zu sein. Dankbarkeit macht gelassen.
Gelassenheit ist kein Zustand, den man erreicht und dann für immer besitzt. Sie will jeden Tag neu geübt und gepflegt werden. Es wird weiter Tage geben, an denen wir uns die Haare raufen – das darf auch sein. Menschen, die trotz Widrigkeiten die schönen Augenblicke einfach und spontan genießen können, leben leichter. Ein paar freundliche Worte zu Mitmenschen (auch denen, die wir nicht mögen), eine Tasse Kaffee in der Herbstsonne oder ein Besuch im Biergaten – es gibt im Alltag viele Möglichkeiten.
Was hilft noch? In Schlagworten:
Dramatisieren vermeiden, innere Zwänge hinterfragen, die Wirklichkeit zulassen, Grenzen akzeptieren, Achtsamkeit gegenüber mir und anderen, Großzügigkeit, Geduld, Humor und Vertrauen in den barmherzigen Gott.
Der Heilige Franz von Assisi (1181/82–1226), dessen Gedenktag am 03. Oktober ist, hat ein Gebet überliefert, das mir immer wieder hilft, neu Gelassenheit zu finden: „Herr, gib mir die Kraft, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“