Liebe Leserinnen, liebe Leser!
Es sind vor allem die Gespräche, die einen zum Denken bringen. Beispielsweise solche bei einem Schluck Kaffee in der Pause. Man isst eine Kleinigkeit mit Kollegen, man spürt die warme Sonne durch die Scheibe auf der Haut. Es ist gemütlich. Da denkt man dann schon mal laut über scheinbar banale Dinge wie einen Stuhl nach. Nicht über den Stuhl an sich, nicht über sein Outfit, seinen Preis… sondern darüber, dass er leer ist.
Nun, ein Kurt Tucholsky hat sich den Kopf darüber zerbrochen, was denn eigentlich ein Loch sei, und geschrieben. Warum sollte ich als Christ nicht ein wenig über einen leeren Stuhl nachdenken? Über die Leere, da, wo noch ein Platz frei ist? Haben unsere Großeltern übrigens auch schon gemacht. In manchen Esszimmern stand stets ein Gedeck mehr auf dem Tisch, und ein Stuhl blieb frei. Sie lesen richtig, die Familie hielt einen Platz unbesetzt. Es konnte ja plötzlich ein uneingeladener Gast kommen, den man damit willkommen heißen wollte. Nur nebenbei: Die Bibel ist voll von solchen Geschichten der Gastfreundschaft. Und schon die Alten kannten die Weisheit, dass man im Fremden schon mal seinem Gott begegnet.
Gott im Gast, sagt man in Polen. Jesus reinlassen in sein Haus, einen Stuhl für ihn freihalten – wie ist das bei uns? Der Herr kommt meist unauffällig, und wenn er dann weg ist, fällt es uns wie Schuppen von den Augen (Lk 24,31). Sei auch Du dieser Gast! Es sitzen genug Leute im Cafe allein am Tisch – sicher, einige finden das behaglicher – aber jeder leere Stuhl ist im Grunde eine Einladung, sich dazuzusetzen. Machen wir also Jesus nicht nur Platz in unserem Herzen. Laden wir ihn nicht nur ein in unser Haus. Nehmen wir selbst seinen Platz ein als Gast, als „Fremder“! Und werden wir hin und wieder zu Stuhlbesetzern in den Häusern unserer Umgebung…
Ihr
Michael Leupolz
Gemeindereferent