Wenn Sie eine Linie ziehen von Landsberg nach Kempten, und eine zweite Linie von Memmingen nach Oberammergau, dann kreuzen sich die beiden genau in Aitrang im Allgäu. Hier gab es nicht viel, aber alles, was man braucht. Spazieren Sie aus dem Ort heraus zwei Kilometer nach Westen, in den benachbarten Ortsteil, genießen Sie einen wunderbaren Blick auf die Alpen und die Wallfahrtskirche St. Alban.
Gehen Sie etwas nach Südosten aus dem Ort zum Elbsee, gewährt ein Hügel einen schönen Blick zurück auf Aitrang.
Dort, aus dieser 1700 Seelen-Gemeinde kommt Nikolaus Wurzer her. Am 28. Juni ist er seit 25 Jahren Priester. Eine gute Gelegenheit, im Gespräch zu ergründen, wie der Lebensweg aus dem Allgäu nach Augsburg von statten ging.
Die frühen Jahre
Sein Heimatpfarrer wollte ihn schon als Zehnjähriger ins Knabenseminar geben, das aber wollten weder seine Eltern noch er selbst. So blieb es beim Gymnasium und später der Realschule in nahen Marktoberdorf. Er hielt dank Taufpatin und Heimatpfarrer immer den Draht zur Kirche, auch als Ministrant und Lektor. Lernen jedoch wollte jedoch etwas solides.
So wurde Nikolaus Wurzer Finanzwirt beim Freistaat Bayern, und würde uns auch heute noch als hoch zufriedener Finanzbeamter unsere Steuern berechnen, wenn, ja wenn nicht das Gefühl immer stärker geworden wäre, dass da noch etwas anderes auf ihn wartet. So erlangte er mittels Fernabitur die Hochschulreife – übrigens mit Krisenfach Latein – und quittierte 1986 den Dienst als Finanzwirt, um ins Priesterseminar nach Augsburg zu gehen und Theologie zu studieren.
Priester werden
Priester werden, das ist zum einen das Studium in der Gemeinschaft des Seminars mit insgesamt 120 andere im ganzen Seminar, davon 30 im selben Jahrgang. Das Studium selbst fand an der Universität Augsburg statt, übrigens mit Wurzers persönlichem Krisenfach Griechisch, das erst beim dritten Anlauf klappte. Zum anderen bedeutet Priester werden Praktika: Ein Jugendpraktikum, ein Sozialpraktikum im Krankenhaus Marktoberdorf, und in weiteren Pfarrgemeinden. Dabei hat Wurzer eines besonders interessiert:
„Wie reagieren Menschen auf mich?“
Das dritte Studienjahr verbrachte Nikolaus Wurzer, so wie alle Priesteranwärter, außerhalb des Seminars. Jeder ist aufgefordert, ein Jahr woanders zu studieren. Bonn hätte ihm auch gefallen, die Verfügbarkeit eines Zimmers gab schließlich den Ausschlag für Regensburg. Dort lernte er Homiletik – die Ausbildung in Predigt, und belegte Pastoraltheologie zum „Arbeiterpastoral“. Geprägt hat ihn dort Prof. Beinert mit seinen Ausführungen zum Heiligen Geist.
„Predigen ist ein Sein-Herz-öffnen. Ich bete heute noch vor jeder Predigt zum Heiligen Geist, nicht nur für meine passenden Worte, sondern auch für die Zuhörer. “
Wurzer hatte viel Ermutigung von außen während seiner Zeit im Priesterseminar. „Komme ich zu einer eigenen Überzeugung, dass ich das leben will?“ Die Praktika gaben Klarheit und Sicherheit. 1992, am 28. Juni war es so weit: Nikolaus Wurzer wurde im Dom zu Augsburg mit 12 anderen zum Priester geweiht. Eine große Zahl, auch wenn von den anfangs 30 Anwärtern mehr als die Hälfte verloren gingen. Heutzutage sind es eher 3–7 neu geweihte Priester pro Jahr (siehe Statistik).
„Als Primizspruch habe ich einen Vers aus dem Lukasevangelium gewählt: Meister, auf dein Wort hin will ich die Netze auslegen.“ (Lk 5,5)
Pfarrer werden
Die Kaplanszeit – quasi das Referendariat – brachte Wurzer nach Herz Jesu in Augsburg-Pfersee und St. Johannes Baptist in Pfaffenhofen a. d. Ilm, bevor er Pfarrer in Sonthofen wurde. Die Pfarrgemeinde Sonthofen hat zwei Kindergärten und weitere Einrichtungen in Obhut.
Die Kindergärten mussten das Beitragsmodell umstellen und die Finanzierung noch regeln, und damit auch die Personalstruktur verändern. Grund für Wurzer, ein Zweitstudium zu beginnen, wiederum als Fernstudium. „Das bietet Unabhängigkeit von Zeit und Ort.“ Der passende Studiengang war „Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen“ der Universität Witten/Herdecke und der Technischen Universität Kaiserslautern.
„Erst habe ich nur für das Wissen angefangen und wollte nur ein paar Kurse belegen, bin dann auf den Geschmack gekommen und habe das Master-Studium durchgezogen.“
Von diesem Studium her rührt der Master of Arts, den Wurzer als M.A. hinter den Namen setzen darf. War das alles mit dem Lernen? Im Gegenteil. Noch während seiner Zeit in Sonthofen bildete Wurzer sich weiter zum Gemeindeberater.
„Ich bin für lebenslanges Lernen, weiterlernen. Das muss sich entwickeln. Wie geht das nach vorne? Wie geht Glaube weiter?“
Augsburger werden
In 2007 kam zum ersten Mal die Frage auf, ob ein Wechsel aus Sonthofen das richtige wäre. Nikolaus Wurzer fuhr zu den offenen Pfarrstellen der Diözese, und machte auch Station in unserer Pfarreiengemeinschaft. Die Kirchentür einer unserer Kirchen war verschlossen. Für Wurzer ein Signal, dass es noch nicht an der Zeit war. Er blieb noch vier weitere Jahre in Sonthofen. Eine schöne Zeit, wie er selber sagt.
In 2011 kam dann vom Bischof die Bitte, die Pfarreiengemeinschaft Göggingen-Inningen zu übernehmen. „Ich kannte ja Augsburg schon etwas aus der Praxis, durch die Zeit als Kaplan in Herz-Jesu in Pfersee.“ Wurzer verspürte ein gutes Gefühl, mit drei Gemeinden in Stadt und Land umgehen zu können. Ein anderes Angebot, das ebenfalls vorlag, lehnte er ab.
„Wir haben hier eine komplexe Konstellation, mit drei Gemeinden, zwei Priestern, drei Kirchenverwaltungen, drei Pfarrgemeinderäten.“ Jede Pfarrgemeinde hat ihre eigene Geschichte, ihre eigene Umgebung, und natürlich ihre eigenen Vorstellungen, die auf die Pfarreiengemeinschaft gesehen miteinander in Einklang gebracht werden sollen.
Wie geht es weiter? Wurzer zuckt mit den Schultern. „Was für mich vorgesehen ist und vor allem wann, weiß ich nicht. Dass irgendwann ein Zusammenschluss mit der Pfarreiengemeinschaft Göggingen-Bergheim geschieht, steht fest.“ So steht es in der Pastoralen Raumplanung 2025 geschrieben in der Planung für das Dekanat Augsburg II. Mit welchem Pfarrer, das steht nicht fest.
Die komplexe Konstellation in unserer Pfarreiengemeinschaft und die Zukunft, wie geht er, und wie gehen wir alle damit um? Nikolaus Wurzer bringt es auf den Punkt, auf den Grund, warum wir immer wieder zusammen finden.
„Wir müssen uns immer wieder auf das Wort Jesu zurückbeziehen.“
Feiern
Nach dem regulären Mittwochsgottesdienst in Georg und Michael feiern wir im Kleinen Wurzers Ehrentag im Pfarrgarten.
Das Gespräch führte Dr. Joachim Schlosser für die Redaktion.
Alle übrigen Fotos: www.joachimschlosser.de