Re-Post eines offenen Briefes der Caritas Augsburg:
Sehr geehrte Caritas-Sammlerin, sehr geehrter Caritas-Sammler,
Sie machen sich in der kommenden Woche auf, gehen von Tür zu Tür und bitten um Spenden für Menschen in Not. Sie sammeln im Auftrag der Caritas und damit für unsere Kirche. Sie übernehmen auch die schwierige Aufgabe, sich auch zuweilen unhöflichen Vorwürfen stellen zu müssen. Das II. Vatikanische Konzil lehrt uns, dass die Kirche heilig und sündig zugleich ist. Das entschuldigt nichts, weist uns aber darauf hin, dass dort, wo Menschen leben, auch Fehler, kleine und große, auch Vergehen, Versagen und Veruntreuung vorkommen können. Die Tatsache, dass es dies gibt, darf keine Ausrede sein. Dort, wo gefehlt wird, untergräbt es unseren Auftrag als Christen und schadet unserer Kirche und mit ihr der Caritas. Wir sind Kirche, sagt man gerne, wenn es gut läuft. Wir sind aber auch Kirche, wenn es nicht gut läuft.
Wir alle sind in die Verantwortung mit hineingenommen. In der jüngsten Zeit machte das Bistum Eichstätt Schlagzeilen. Es waren keine guten. Wir und die Menschen in unserem Bistum fragen sich, wie das passieren konnte. Eichstätts Bischof Hanke hat sich für das Versagen entschuldigt. Und dennoch bleiben Fragen, mit denen vielleicht auch Sie bei Ihrem Dienst der Caritassammlung konfrontiert werden. Um ehrlich zu sein: Wir vom Caritasverband für die Diözese Augsburg hätten sehr gerne diese 50 Millionen gehabt. Hätte man diese hohe Summe doch in die Caritas investiert! Denn wer Geld in die Caritas investiert, der investiert in Menschen, denen es nicht so gut geht, die Hilfe benötigen, Rat und Tat brauchen.
Wir im Bistum Augsburg sind in der glücklichen Lage auf viele Jahre einer stabilen und verlässlichen Finanzplanung der Diözese verweisen zu können. Lassen Sie mich Sie daran erinnern, dass als Prälat Dr. Eugen Kleindienst Mitte der 1990er Jahre das Amt des Finanzdirektors der Diözese als Bischofsvikar übernahm, er sehr schnell einen verlässlichen und zuverlässigen Mann aus der Wirtschaft holte und ihn zu seinem stellvertretenden Finanzdirektor machte. Dieser Mann ist inzwischen selbst der Finanzdirektor, Herr Dr. Klaus Donaubauer. So lag und liegt uns seitdem ein solider und transparenter Haushalt vor. Unser Diözesan-Bischof, Bischof Dr. Konrad Zdarsa, hat in den vergangenen Jahren dabei wichtige zusätzliche soziale Akzente im Bistumshaushalt gesetzt. Als Diözesan-Caritasdirektor bin ich ihm sehr dankbar dafür.
Unsere Kirche lebt von der Beständigkeit, auch in der Finanzplanung. Das gilt auch für unsere Caritasverbände. Wir leben in Deutschland in der dankbaren Situation, dass wir in einem Sozialstaat leben, der von den Grundsäulen der katholischen Soziallehre geprägt ist, nämlich der Solidarität und der Subsidiarität. D. h. der Staat organisiert und gestaltet auch mit vielen Gesetzen den Sozialstaat, er sorgt durch seine Vorgaben dafür, dass die Menschen in unserem Land, die – um es allgemein zu formulieren – soziale Bedarfe haben, diese auch erhalten können. Wir leben nicht in einem totalitären, sondern freiheitlich demokratischen Staat. Deshalb maßt er es sich nicht an, selber sozialer Dienstleister zu sein. Er beauftragt damit z.B. die Wohlfahrtsverbände. Unser Staat lässt ihnen dabei den Wohlfahrtsverbänden den Raum, ihrem Auftrag gemäß die verschiedenen sozialen Dienste anzubieten. Der Staat zahlt auch dafür an alle Wohlfahrtsverbände, auch an die Caritas, mit seinen Zahlungen deckt er aber nicht alle Ist-Kosten ab. Deshalb sind wir als Caritas auf Kirchensteuermittel und Spenden angewiesen. Auch weil manche Dienste keinerlei Refinanzierung durch die öffentliche Hand erfahren.
Sie als Caritas-Sammlerin und Caritas-Sammler tun aber weitaus mehr, als nur diese Finanzierungslücken zu schließen, was nötigt ist, um verschiedene Dienste aufrechterhalten zu können. Sie ermöglichen es, dass Ihre Pfarrgemeinden in die Lage versetzt werden, armen Menschen, verarmten Witwen, alleinerziehenden Müttern, Familien, die wirklich knapp bei Kasse sind, und Obdachlosen unter die Arme zu greifen.
Ja, es ist alles andere als gut, was da in Eichstätt passiert ist, ja, wir hätten diese 50 Millionen gerne für uns gehabt. Aber all unsere Verärgerung und Enttäuschung, auch Enttäuschung darüber, dass Kirche hier versagt hat, all das hilft nicht den Menschen, die unsere Hilfe benötigen. Wir sind Kirche. Die Diözese hat den Auftrag, die Kirche im Bistum Augsburg auf soliden finanziellen Beinen in die Zukunft zu führen, auch dafür, dass wir als Caritas mit dieser Rückendeckung unsere Arbeit fortsetzen können. Und wir als Caritas brauchen Ihre Mithilfe, Ihr Engagement dafür, dass die Caritas, unseren Liebesdienst als Christen für Menschen in Not oder schwierigen Lebenslagen gut fortsetzen können. Solide kirchliche Finanzen sind ein Garant für eine stabile Gegenwart und eine solide Zukunft, Ihr Sammeln ist ein Garant dafür, dass wir als Kirche in den Pfarrgemeinden vor Ort, in den Kommunen und Landkreisen und im Bistum heute hier und jetzt direkt, schnell und unkompliziert helfen können, wo Not herrscht. Das, was in Eichstätt passiert ist, ist eine Schande. Wir als Kirche schämen uns dafür, dass so etwas möglich war. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, und damit so zu tun, als ginge es uns eigentlich nichts an, das bringt nichts. Wir könnten darauf verweisen, dass wir als Caritas ein eigener Rechtsträger sind. Das wollen wir nicht tun, denn wir alle sind Kirche. Dieser große Fehler in Eichstätt darf aber nicht durch den Fehler noch verstärkt werden, indem wir uns aus unserer Verantwortung für Menschen in Not zurückziehen. Das wäre erst recht unglaubwürdig.
Wir sind als Kirche unterwegs in dieser Welt. Unser Auftrag ist und bleibt, Zeugen und Boten der Liebe Christi zu allen Menschen zu sein. Daran wird sich nichts ändern. Wenn in der Kirche unglaubwürdig gehandelt wird, dürfen wir nicht die weitere Unglaubwürdigkeit begehen und uns aus dem Dienst als Kirche und Caritas für Menschen in Not zurückziehen. Ihnen, sehr verehrte Caritas-Sammlerin und sehr verehrter Caritas-Sammler, gilt mein persönlicher Dank! Sie sind es, die mit Mut und Treue zu den Menschen in Not unser Zeugnis in den Pfarrgemeinden für Menschen in Not leben und wachhalten! Gott gebe Ihnen alle Kraft dazu und er schenke Ihnen seinen besonderen Segen!
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Domkapitular Dr. Andreas Magg
Diözesan-Caritasdirektor