Liebe Leserin, lieber Leser,
Heimat – dieser Begriff kommt mir in den letzten Wochen vermehrt entgegen: in Parteiprogrammen, in Zeitungsreportagen, in Gesprächen und auch im Zusammenhang mit Kirche und Gemeinde. Vermehrt achten Menschen auf ihren Lebensraum, den sie Heimat nennen. Und Christen äußern: „Glaube, Kirche, Gemeinde gehören für mich wesentlich zur Heimat.“ Dabei lässt unser Glaube eigentlich nicht zu, dass sie sich in dieser Welt definitiv einrichten und Heimat finden.
Die Texte des Alten und des Neuen Testaments sind von dieser Spannung von Beheimatung und Heimatlosigkeit durchzogen. Jesus selbst ruft auf, um seinetwillen „Haus oder Brüder, Schwestern, Mutter, Vater, Kinder oder Äcker“ zu verlassen (Mk 10,29). Wenn er das Reich Gottes verkündet, dann richtet sich sein Blick nicht auf ein sicheres, friedliches Sich-Einrichten, sondern relativiert alle Bindungen und beschützenden Ordnungen durch den Ruf in die Nachfolge. Der erste Petrusbrief spricht von den Gläubigen als „Fremde und Gäste in dieser Welt“ (1 Petr 2,11). Heimat haben die Christen also anderswo.
Wenn in den Geschichten der Bibel von Gottesbegegnungen berichtet wird, dann sind es immer Aufbruchs- und Umformungsgeschichten. Gott, der die Toten lebendig macht und das, was nicht ist, ins Dasein ruft (vgl. Röm 4,17), ist ein verwandelnder, befreiender und umformender Gott. Immer neu sind wir daher gefordert, vorläufige Dinge loszulassen, um frei zu werden für die Fülle, die Gott schenken will. In scharfem Gegensatz dazu sehe ich allerdings unser aktuelles Prinzip des Habens und Festhaltens und sich jetzt alles leisten zu können und haben zu müssen. Jesus hat sein ganzes Leben losgelassen auf Gott hin und ist frei geworden. Dieses Geheimnis des Glaubens verbinden wir mit Ostern. Jesus hält sein Leben eben nicht fest – auch nicht im Tod. Er gibt sich her und Gott hin und erfährt, dass diese Hingabe frei macht und selbst der Tod ihn nicht binden kann. Ostern ist das zentralste Fest unseres Glaubens. Unsere Heimat ist nicht nur bei Gott. Gott selbst ist diese Heimat. In ihr bleiben wir auch im Tod bewahrt.
Der Prophet Jesaja sagt: „Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht.“ (Jes 7,9). Auf das Stichwort Heimat hin, ist damit gesagt: „Wer an Gott glaubt, braucht auf der Suche nach Heimat nicht mehr um sich selbst zu kreisen oder sich krampfhaft um innerweltliche Sicherungen zu bemühen. Er hat seine Heimat jenseits der eigenen Möglichkeiten und gewinnt gerade darin festen Stand. Dieser Glaube ist sicherlich immer auch angefochten und bedarf immer neu der Stärkung. Deshalb ist die Versammlung der Gläubigen als Kirche und Gemeinde für den Glaubenden stärkend und stützend. Wie allerdings diese Versammlung organisiert ist, wie die Gestalt der Kirche und Gemeinde aussieht bedarf wohl immer wieder neu einer guten Gestaltung. Das Vertrauen zu Gott und den Mut zum Aufbruch ins Neue wünscht Ihnen für die bevorstehende Osterzeit und in ihr ganz persönliches Leben hinein
Ihr
Pfarrer Nikolaus Wurzer M.A.
Foto: www.joachimschlosser.de