Dieser Beitrag ist Teil einer Interviewreihe, in der wir Gemeindemitglieder im Pfarrbrief direkt zu Wort kommen lassen. Dabei geht es darum, den Menschen hinter dem ehrenamtlichen Engagement zu erkennen. Eine Gemeinde besteht in erster Linie aus den Menschen, den Ehrenamtlichen, nicht dem Kirchenhaus oder den Hauptamtlichen. Diesmal durfte ich mit Katharina Ahle sprechen, die im scheidenden Pfarrgemeinderat in St. Peter und Paul wirkt und unter anderem das Sternsingen in Inningen organisiert.
Von Inningen nach USA…
JS: Katharina, seit wann lebst du in Inningen?
Katharina Ahle: Eigentlich seit immer, also seit meiner Geburt.
JS: Wie lang ist das denn jetzt her, wenn ich fragen darf?
Katharina Ahle: Seit jetzt fast 22½ Jahren.
JS: An welchen Geruch erinnerst du dich, wenn du an deine Kindheit denkst?
Katharina Ahle: An Felder und Wiesen, weil ich die meiste Zeit meiner Kindheit mit meinen Geschwistern im Garten verbracht habe. Daran erinnere ich mich.
JS: Wie hat sich Inningen seitdem verändert?
Katharina Ahle: Ich persönlich finde, dass sich gar nicht so viel verändert hat. Dort, wo meine Eltern wohnen, haben wir einen riesigen Garten, die Schulwiese und da hat sich wirklich gar nichts verändert. Da ist eigentlich alles gleich geblieben, außer das es vielleicht lauter geworden ist. Das merke ich besonders dort, wo ich jetzt wohne, da ich dieses Jahr umgezogen bin. Ich konnte die ersten drei Monate gar nicht schlafen, weil das Schlafzimmerfenster direkt an der Hauptstraße ist. Und das war ich bei meinen Eltern gar nicht gewohnt.
JS: Seit wann bis du dann hier in der Pfarrjugend?
Katharina Ahle: Seit 2004. Da bin ich Ministrantin geworden, dann habe ich meine eigene Gruppe bekommen und dann habe ich noch das Sternsingen begonnen. Seitdem bin ich hier. Zwischendurch war ich noch Obermini, bis zu dem Zeitpunkt, als ich nach Amerika gegangen bin. Und so läuft es jetzt weiter. Meine Hauptaufgabe ist jetzt das Sternsingen.
JS: Wann warst du denn in Amerika? Und wo in Amerika?
Katharina Ahle: Von März 2016 bis April 2017 in Boston, Massachusetts, als Au Pair. Nach dem Abitur habe ich meine Ausbildung gemacht und konnte diese auf 2½ Jahre verkürzen. Danach habe ich noch einen Monat weitergearbeitet, bis Februar, damit ich noch ein bisschen Geld sparen kann und dann bin ich nach Amerika geflogen.
JS: Was hat dich überrascht?
Katharina Ahle: Es war komplett anders und ich habe mir am Anfang sehr schwer getan. Ich habe mich riesig gefreut auf das Abenteuer. Ich war eigentlich nie der Mensch, der Heimweh hatte. Ich war in Boston aber ganz allein, kannte niemanden und dann hatte ich die ersten Monate schon echt Heimweh. Ich habe in dieser Zeit erst richtig zu schätzen gelernt, was ich zu Hause in Deutschland alles habe. Das hat sich dann natürlich auch gelegt und man hat Freunde gefunden. Und es war ein schönes Jahr!
Die Amerikaner sind komplett anders, aber die Klischees die man von Amerika bzw. den Amerikanern kennt, sind keine Klischees, sondern es stimmt das meiste. Ich war zu der Zeit in Amerika, als Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde und da habe ich natürlich alles mitbekommen, den ganzen aktiven Wahlkampf, die Amtseinführung, etc. Zudem war meine Gastfamilie auch totaler Trump-Supporter.
JS: Wie hast du das wahrgenommen?
Katharina Ahle: Ich war zuerst eine Woche in einer Training-School in New York. Dort helfen sie den Au Pairs, sich gut einzugewöhnen. Dann sind wir mit dem Bus nach Boston gefahren und dort haben uns unsere Gastfamilien abgeholt. Wir waren natürlich alle sehr nervös und aufgeregt. Ich habe mich dann wirklich gefreut, die Kinder und meine Gastmutter in die Arme geschlossen und dann saßen wir im Auto und die Gastmutter sagt: „Ach ja übrigens, wir sind für Trump!“ Und dann dachte ich mir: „Okay, kann ich wieder aussteigen?“ Es war aber ganz interessant, weil ich sie gefragt habe, warum sie für Trump ist, was die Gründe sind und warum sie ihn unterstützt. Ich habe mit ihr eigentlich sehr gute Unterhaltungen und Diskussionen geführt und habe dann ihren Standpunkt auch ganz gut verstehen können. Ihr ist es besonders wichtig gewesen, dass ihre Kinder beschützt werden. Bei den Amerikaner ist es halt „America first!“ Die Amerikaner denken so. Natürlich gab es auch wieder ein paar Gründe, die ich nicht verstanden habe, aber letztendlich sind es auch ganz normale Menschen.
Ich hatte die beste Gastfamilie, die ich mir habe vorstellen können und wir fliegen dieses Jahr auch wieder nach Boston, um sie zu besuchen.
JS: Hast du in Amerika auch Anschluss an Pfarrgemeinden finden können?
Katharina Ahle: Meine Gastfamilie ist protestantisch und wir waren an Ostern und Weihnachten in der Kirche. Die Familie der Tante sind richtige Kirchgänger, aber meine Gastfamilie nicht so. Ich war dort in der Kirche aber schon sehr geschockt. Es ist alles ganz anders als bei uns. Die Kinder haben geredet und sind rumgelaufen, dass hätte es bei uns nicht gegeben. Das war schon komisch, aber es war auch schön, etwas anderes zu sehen.
JS: Und vom Prozedere her?
Katharina Ahle: Ist dasselbe, außer, dass es, wie bei den Protestanten üblich, keine Gabenbereitung gab.
JS: Im Rückblick nach dem Jahr: Was bleibt dir an Erinnerungen bzw. was für ein Gefühl hast du, wenn du an Amerika denkst?
Katharina Ahle: Wenn ich daran zurück denke, dann habe ich ein ganz schönes Gefühl. Ich habe so viele neue Menschen kennengelernt, ich habe viel von Amerika gesehen,da ich viel gereist bin, ich denke an meine nette Gastfamilie etc. Ich verbinde mein Austauschjahr eigentlich nur mit schönen Erinnerungen. Natürlich ist nicht alles schön gewesen, dass muss man auch dazu sagen. Es gibt Probleme, wie es sie auch in einer ganz normalen Familie gibt.
Würde ich es noch mal machen, dann würde ich es aber genauso wieder machen!
…und zurück zum Sternsingen
JS: Und jetzt wieder hier, in St. Peter und Paul?
Katharina Ahle: Ja! Ich muss schon sagen: Letztes Jahr musste ich ja „mein“ Sternsingen gezwungenermaßen abgeben, obwohl es ja „mein Baby“ ist. Das ist mir nicht leicht gefallen. Ich habe im Hintergrund, also von Amerika aus, das ganze Material noch bestellt. Die Aktion selber konnte ich dann leider nicht mit begleiten. Das war schon arg für mich.
JS: Was verbindest du mit Sternsingen?
Katharina Ahle: Also mich haben damals meine Schwester und Theresa Bauer zu den Sternsingern gebracht. 2011 bin ich Gruppenleiter geworden und 2012 bin ich dann zum Sternsingen gekommen. Für mich ist es einfach schön. Ich finde die Aktion an sich sehr toll. Mir ist es immer sehr wichtig, dass die Kinder ein passendes Lied und einen passenden Spruch haben.
Wir haben jedes Jahr eigentlich immer die gleichen Sprüche gehabt und dieses Jahr habe ich aber Sprüche zum Thema „Frieden“ rausgesucht. Solche Sachen sind mir einfach wichtig und ich finde, dass das Sternsingen eine gute Aktion ist und es den Kindern Spaß macht. Man sieht es auch daran, wie viele Kinder immer mitmachen. Und es kommt auch was von den Kindern zurück: Die Kinder sind sehr lieb und haben Freude und das zeigen sie auch. Das Schönste, was ich dieses Jahr gehört habe war: „Schön, dass du wieder da bist!“ Das tut einfach sehr gut, sowas zu hören und es macht einfach immer noch Spaß.
JS: Wie groß ist denn eigentlich die Pfarrjugend in Inningen? Und gibt es da einen Unterschied zu den Ministranten?
Katharina Ahle: Es müssten so zwischen 20 und 25 Jugendliche sein. Man ist zuerst Ministrant, ministriert in den Gottesdiensten und hat seine Gruppenstunden. Im Alter zwischen 14 und 15 Jahren geht man dann in die Pfarrjugend über. Es sind in der Pfarrjugend auch 90% Jugendliche, die nicht mehr ministrieren. Die meisten wollen nicht mehr ministrieren, aber immer noch aktiv sein in der Gemeinde.
Bei uns gibt es ungefähr 60 bis 65 Ministranten.
JS: Ab welchem Alter gehen die Kinder dann zum Sternsingen?
Katharina Ahle: Nach der Kommunion, wenn die Kinder Ministranten sind, kommen sie zum Sternsingen und die Jugendlichen der Pfarrjugend sind dann die Begleiter.
JS: Es müsste dann immer genügend Leute geben, die mitlaufen oder?
Katharina Ahle: Ja, da gibt es immer welche. Es gibt viele, die auch alle drei Tage als Begleiter mitlaufen.
Am zweiten Tag hatten wir neun Gruppen, die nach drei Stunden dann fertig waren, weil sie „nur“ drei Straßen hatten. Früher war das noch anders. Wir sind dieses Jahr auch eine Stunde früher losgelaufen und die letzte Gruppe war schon um fünf Uhr da.
Trotz Regen haben die Kinder nicht aufgegeben und haben alle weitergemacht. Da war ich schon sehr stolz.
JS: Wie viele Sternsinger habt ihr?
Katharina Ahle: Circa 40 Sternsinger. Dieses Jahr waren wir wirklich richtig viele.
JS: Und wie viele seit ihr dann in der Organisation?
Katharina Ahle: Nur ich.
JS: Ganz allein? Wie geht das denn, neben dem Beruf? Das ist dann aber schon viel Arbeit in der Woche oder?
Katharina Ahle: Irgendwie bekommt man das hin. Ich muss sagen, dass ich ab Oktober schon anfange, das Sternsingen vorzubereiten. Man muss das Material bestellen, den Elternbrief schreiben, dann kommt die Gewänderprobe und man muss die Gewänder vom Pfarrhaus nach unten holen, der Einstieg ins Thema, der Einführungsgottesdienst und der Aussendungsgottesdienst. Es ist schon viel Arbeit, aber es macht mir Spaß. Ich finde das zählt letztendlich. Ich denke schon manchmal daran, dass ich es jetzt schon sehr lange mache, aber ich will es noch nicht abgeben.
JS: Wächst da jemand nach bzw. rein in die Organisation?
Katharina Ahle: Ich habe vor zwei Jahren schon jemanden mitgenommen bzw. mit jemandem zusammen gearbeitet und habe gefragt, ob derjenige es nicht weitermachen möchte, aber es hat nicht geklappt. Das Problem ist, dass es momentan niemand machen möchte.
Normalerweise sitze ich ja dann immer im großen Gruppenraum und halte die Stellung. Wenn die Begleiter der Sternsingergruppen dann zurückkommen, dann bleiben sie noch bei mir und wir erzählen ein bisschen. Da habe ich dann auch mal in die Runde gefragt, ob jemand die Aktion mitmachen möchte, aber es hat sich niemand gerührt. Aber vielleicht kommt ja irgendwann mal was!
JS: Warum das alles? Was verbindet dich mit der Kirche? Was verbindet dich mit der Pfarrei?
Katharina Ahle: Ich muss sagen, ich bin hier groß geworden und kenne es nicht anders. Meine Eltern sind nicht jedes Wochenende mit mir in die Kirche gegangen, im Gegensatz zu meinen Großeltern, aber meinen Eltern war es immer wichtig, uns einen Glauben zu vermitteln. Wir haben jeden Abend gebetet und ich denke, wenn man es nicht anders kennt, mag man es so. Meine drei größeren Geschwister waren auch Ministranten und in der Pfarrjugend und dann wollte ich es natürlich auch unbedingt machen. Ich wollte natürlich genau dasselbe machen, was meine Geschwister gemacht haben. Und so bin ich dazu gekommen.
JS: Und beim Sternsingen habt ihr dieses Jahr ja dann wieder einiges geschafft?
Katharina Ahle: Wir wollen immer 8.000 € erreichen, dass haben wir dieses Jahr leider nicht geschafft, aber bei unserem ersten Sternsinger-Tag hat es ja so geregnet und ich bin so stolz auf die Kinder, dass sie trotzdem raus gegangen sind und ihre Straßen abgearbeitet haben. Ich habe den größten Respekt vor den Kindern, dass sie das durchgezogen haben. Da sehe ich auch, dass den Kindern die Aktion nicht egal ist. Bei einer Gruppe ist mir aufgefallen, dass nur die alten Sprüche von den letzten Jahren aufgesagt wurden und sie nicht singen wollten, damit es schneller geht. Ich habe dann mit der Gruppe gesprochen und habe ihnen erklärt, dass die Menschen auf sie warten und sich freuen und es sie berührt, wenn sie die Lieder und Sprüche hören. Die Kinder müssen einfach so denken: Ihr macht es nicht für euch, sondern für die anderen Menschen. Es gibt Menschen, die enttäuscht sind, wenn ihr nur die Sprüche aufsagt und das Geld einsammelt. Am nächsten Tag hat die Gruppe dann sogar die neuen Sprüche gelernt und die Lieder gesungen. Das hat mich sehr gefreut.
Es kommt natürlich immer darauf an, wie sie eine Gruppe zeigt. Es macht natürlich einen Unterschied, ob sie die Sprüche gelangweilt aufsagen oder mit voller Freude dabei sind.
Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis!
Pfarrgemeinde und darüber hinaus
JS: Was machst du denn, wenn du nicht für die Pfarrgemeinde arbeitest?
Katharina Ahle: 80% der Woche gehe ich arbeiten. Dann bin ich noch im TSV Inningen aktiv. Dort habe ich eine Gymnastik- und Tanzgruppe. Die Mädchen dort sind mittlerweile 10 Jahre alt und ich habe sie bekommen, als sie 4 Jahre alt waren. Ich tanze selbst auch und arbeite nebenbei noch beim AEV. Da bin ich beim Gegnerstand an der Kasse. Von September bis März bin ich dort immer jede Woche.
JS: Was wünschst du dir für die Pfarrgemeinde oder für die Pfarreiengemeinschaft?
Katharina Ahle: Ich wünsche mir, dass die Beteiligung wieder höher wird. Ich merke das besonders im Pfarrgemeinderat, in dem ich die letzten vier Jahre gewesen bin. Es ist schwer, Menschen zu motivieren, etwas zu tun. In der Schule war es schon schwer zu sagen, dass man in der Kirche etwas macht. Aber ich stand schon immer dazu, es macht mir Spaß und ich glaube daran. Ich wünsche mir, dass dieses Gefühl wieder mehr Leute haben, sich engagieren und mehr in die Kirche gehen. Das fehlt einfach in der heutigen Zeit.
JS: Wenn du irgendwo eine riesige Plakatwand aufstellen könntest, was würdest du drauf schreiben?
Katharina Ahle: Ich würde drauf schreiben:
„Glaubt an euch selber und denkt mehr über euch, über die Welt nach und seit loyaler und hilfsbereiter.“
Ich finde das fehlt einfach in der Welt. Ich habe es jetzt beim Sternsingen wieder gemerkt, dass die Kinder die Menschen teilweise auslachen und ich sie dann frage, warum sie das tun, dass sie nicht wissen, was mit dem Menschen ist. Ich habe es bei meiner ältesten Schwester selber mitbekommen. Sie ist hör- und sehbehindert und vielleicht habe ich deswegen auch eine andere Sichtweise auf Menschen mit Behinderung. Ich kann es gar nicht leiden, wenn diese Menschen nieder gemacht werden. Menschen mit Behinderung werden teilweise sehr ungerecht behandelt und das finde ich nicht fair. Das tut mir dann immer selber im Herzen weh.
JS: Wo fällt dir das am Stärksten auf?
Katharina Ahle: Wenn man einfach mal durch die Stadt läuft und den Menschen zuhört, was sie reden. Mir fällt es teilweise auch in der Arbeit auf. Wir sind alle erwachsene Menschen und es gibt immer jemanden, der einen unschönen Kommentar in den Raum stellt oder es kommt eine Person rein und die wird einfach ausgelacht. Man muss sich da natürlich auch an die eigene Nase fassen, aber sowas finde ich natürlich nicht fair. Beim AEV arbeitet auch ein Mann mit Behinderung und dieser wird auch von den Leuten ausgelacht, was ich einfach nicht fair finde. Das sind auch ganz normale Menschen, die so viel Liebe schenken.
Wunsch an die Gemeinde
JS: Hast du an die Leser des Pfarrbriefs irgendeinen Wunsch oder eine Aufforderung?
Katharina Ahle: Ich wünsche mir, dass auch die Menschen, die den Pfarrbrief gerne lesen und die vielleicht noch nicht so aktiv in der Kirche sind, aktiver werden. Ich bin der Meinung, dass wenn man schon interessiert ist, dass man nicht nur still sein soll und nichts tun soll, sondern einfach auch was machen soll.
Ich merke es besonders bei der Pfarrgemeinderatswahl. Es wird sowohl im Pfarrgemeinderat als auch in der Kirche immer weniger und das ist sehr schade. Es ist traurig, wenn eine so lange Tradition und besonders der Glaube einfach aussterben.
Ich wünsche mir, dass Menschen, die sich bis jetzt nicht getraut haben oder nicht sicher waren, es einfach mal versuchen und es ausprobieren, denn was soll denn schon schief gehen.
JS: Katharina, danke für das Gespräch!
Das Gespräch führte und Joachim Schlosser (auch Foto). Vielen Dank an Luisa Ganso, die das Interview transkribierte.