Der „ewige Kirchenpfleger“ der Kuratiekirche – Eduard Lutz ist ein Urgestein der Kuratie St. Johannes Baptist und brachte sich bereits seit der Gründung 1987 bis 2019 als Kirchenpfleger in die Kirchenverwaltung ein. Wir wollen wissen, was ihn antreibt und wie es damals war.
Warst du schon immer in Göggingen?
Eduard Lutz: Ja. Ich halte da einen Rekord mit Hannelore Kühnle. Ich war noch nie länger als drei Wochen aus Göggingen weg.
Ich bin im Gögginger Krankenhaus geboren und in dem Haus, in dem ich jetzt auch noch wohne, aufgewachsen. Mein Großvater hat das Haus 1932/1933 gebaut. Ich bin auch im Gögginger Krankenhaus getauft worden und dann war alles Weitere in St. Georg und Michael, nur gefirmt wurde ich in St. Anton. Meine Frau ist auch aus Göggingen, sie hat in der damaligen Hochfeldstraße gewohnt.
Wir haben dann, auf Anraten von Leuten, die mehr vom Bauwesen verstehen, das alte Haus meiner Großeltern abgerissen. Unser Haus war von den umliegenden Häusern das kleinste Haus. Es hatte innen eine Wohnfläche von 56 m² auf zwei Etagen. Es wären zu viele Arbeiten angefallen, um das Haus wieder herzurichten, so dass wir es 1990 abgerissen haben.
Mein Kinderzimmer hatte damals 11,5 m². Das schadet niemanden wenn ich das erzähle: Wir haben in dem alten Haus – neben den anderen Räumen – eine Toilette gehabt und eine Badewanne. 1956 eine Badewanne! Da sind Verwandte gekommen, um das Bad anzuschauen. Jetzt kommt das „Aber“: Wir hatten kein Waschbecken. Das hatte keinen Platz mehr. Ich habe mich, bis ich 26/27 Jahre alt war, in der Küche gewaschen. Man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass man in der Toilette kein Waschbecken hat. Man musste nach dem Toilettengang in die Küche und sich die Hände waschen. Das ist jetzt natürlich über 40 Jahre her.
Zu Markus’ Kommunion 1991 war das neue Haus dann fertig. Das war auch unser Ziel. Seitdem wohnen wir jetzt glücklich und zufrieden hier.
Wann ist es denn genau mit der Kuratie losgegangen?
Eduard Lutz: Etwa 1986 fanden erste Gespräche zwischen Pfarrer Schwab und Pfarrer Hoiß zum Thema „Kuratie“ statt. Stefan Hoiß hat sich seinerzeit dazu bereit erklärt, die Pfarrei zu leiten. Er ist Jahrgang 1952, also zwei Jahre jünger als ich. Am Anfang ging es zunächst um ganz banale Dinge, wie zum Beispiel die Umsetzung des Gebäudes [aus dem Univiertel, Anm. d. Red.] und das Transportieren von notwendigen Gegenständen.
Wir haben dann auch schnell noch Leute gefunden, die uns unterstützen. Das hat gemeinschaftlich ähnlich viel Spaß gemacht wie dann die Renovierung und Sanierung im Jahr 2008. Die ersten Gottesdienste haben wir in der Mensa des Studentenwohnheims abgehalten. Herr Hoiß hatte da sehr gute Ideen. Einmal hat er viele kleine Töpfe mit Getreide gesät und nach dem Gottesdienst jedem, der einen Topf haben wollte, einen mitgegeben hat unter dem Motto: „Man kann dann beobachten, was daraus alles wachsen kann.“ Ich kann mich noch gut daran erinnern, weil ich ja selbst Hobbygärtner bin, dass ich meinen eigenen Topf bis zur Ähre gebracht habe. Da waren viele Ideen dabei, die richtig gut waren.
Die Pfarrwohnung von Herr Hoiß war dann unser Treffpunkt, es gab nämlich kein Pfarramt, sondern nur eine Wohnung. Wir haben uns dann immer bei ihm im Wohnzimmer getroffen und die ersten Schritte besprochen.
Das war mit einigen Geistlichen ein tolles Miteinander. Bei Herrn Hoiß war es das Handwerkliche, bei Herrn Berchtenbreiter war es das Wandern in den Bergen und Herr Schneider war sehr tierlieb.
Das waren dann die ersten drei Pfarrer in der Kuratie?
Eduard Lutz: Ja, das waren dann die ersten drei nach Kurt Stefan Hoiß. Winfried Berchtenbreiter war der erste Pfarrer, der Nächste war dann Herr Georg Schneider, der leider nur zwei Jahre da war. Danach kam Herr Josef Baur, leider auch nur für zwei Jahre.
Während der Amtszeit von Herrn Schneider in der Kuratie kam dann der Umschwung in St. Georg und Michael nach Pfarrer Schwab Herr Pfarrer Rieder.
Danach ist in der Kuratie dann Pfarrer Rapp gekommen. Mit Pfarrer Rapp konnte man gut in Richtung Praxis gehen und so trieb er die Sanierung des Gebäudes mit Elan voran, denn man muss wissen, dass das Kuratiegebäude vorher bereits über zehn Jahre im Univiertel stand. Somit war eine Sanierung und Erweiterung nach über 30 Jahren sehr sinnvoll.
In den sechs Jahren der Amtszeit von Herrn Rapp (von 2003 bis 2009) stand Planung, Finanzierung und Sanierung nahezu immer auf der Tagesordnung der Kirchenverwaltung. Voll Freude möchte ich erwähnen, dass wir immer, auch manchmal nach heißen Debatten, die Kirchenverwaltungssitzungen mit einem allseits guten Gefühl verlassen konnten.
Du warst also schon immer in der Kirchenverwaltung?
Eduard Lutz: Zu Beginn war ich zusammen mit Herrn Hoiß in Richtung Kirchenverwaltung tätig, obwohl es noch kein gewähltes Gremium gab.
Kirchenpfleger in st. Georg und Michael war damals Herr Kerschbaum, der mir mit allen Fragen und Problemen fast wie ein väterlicher Freund zur Seite stand. Herr Kerschbaum war es auch, der mich zur Ausübung dieses Amtes überredet hat. Natürlich musste ich noch gewählt werden. Das war dann 1988/89.
Wie kamst du zum Glauben?
Meine Eltern waren praktizierende Christen, meine Mutter noch stärker, wie mein Vater. Meine Mutter hat sogar im Gögginger Krankenhaus ausgeholfen, zum Beispiel hat sie Sonntags dort geputzt, an Gottesdiensten teilgenommen.
Meine Mutter war schon fast 38 Jahre alt als ich auf die Welt gekommen bin, was für damalige Verhältnisse schon sehr spät war. Sie hat es verstanden, mich an Dinge heranzuführen, und zwar in dem sie die Dinge einfach vorgelebt hat. So war das auch mit Glauben und Kirche. Sie hat es aber verstanden mich dort hinzuführen. So wie sie es verstanden hat, mich zum Garten zu führen, hat sie es auch geschafft, mich zum Glauben zu führen.
Ich kann mich daran erinnern, dass ich eine super Kindheit hatte. Mein Vater war genauso ein Vorbild für mich. Ich habe mit 12 Jahren schon gewusst, was ich mal mache. Dadurch dass mein Vater selbstständig war, war von Anfang an klar, dass ich in seine Firma mit einsteige.
Hast du im Betrieb Wesentliches geändert oder den Betrieb so weitergeführt? War das schon immer der „Schrauben Lutz“?
Eduard Lutz: Das war schon ein gewaltiger Unterschied. Mein Vater hat nach dem Krieg mit Vergaserteilen angefangen. Damals hatten die Leute ein Fahrrad und konnten sich dann „nur“ ein Moped leisten. Da war der Gedanke an ein Auto in weiter Ferne. In den Mopeds waren dann Verschleißteile und damit hat mein Vater zunächst gehandelt. In Augsburg hatte er den Spitznamen „Vergaser-Lutz“. Danach wurde er dann zum „Felgen-Lutz“, da wir eine Zeit lang mit Reifen gehandelt haben. Wir haben uns dann dazu entschieden, dass wir im Handel tätig bleiben und nicht in die Produktion gehen.
Seitdem haben wir uns eigentlich der Schraube verschrieben. Bis 1975 waren wir beim ehemaligen Schlacht- und Viehhof in Augsburg ansässig. 1975 sind wir dann nach Gersthofen umgezogen. Offiziell hat es den „Schrauben-Lutz“ nie gegeben, aber wir haben ihn dann – sozusagen – mit nach Gersthofen genommen. Die Firma heißt eigentlich immer noch „Eduard Lutz“. 1966 war ich der 11. Mitarbeiter und jetzt sind wir 20-mal so viele und das Sortiment hat sich gewaltig gewandelt und wurde enorm erweitert.
Ich habe mich in der Kuratie auch immer wohl gefühlt, als die Leute nicht gewusst haben, dass ich selbstständig bin.
Wie hast du die Aufgaben in der Kirchenverwaltung erlebt?
Am Anfang war ich als Kirchenpfleger „richtig“ Kirchenpfleger, so wie man sich den Begriff „Pfleger“ vorstellen kannst. Von Glühbirnen austauschen über Regale aufbauen gehörte alles dazu. Manchmal war es dann so: Wenn man ein Regal brauchte, musste man zunächst einen Antrag stellen und bis das Regel genehmigt wurde, hat es gedauert. Also habe ich das Regal gleich selbst mitgebracht, sowie unseren Staubsauger, Regale oder Stahlschränke.
Es war auch immer toll, dass die Geistlichen mitgemacht haben. Jeder Mensch ist anders, manche können besser mit Geld umgehen, als andere. Pfarrer Rapp, der mit vollem Elan an die Sache ran gegangen ist, hatte den Vorteil, dass er nur für die Kuratie zuständig war. Wir haben nahezu täglich telefoniert und waren auf der Baustelle. Wir hatten damals eine Kostenschätzung von ca. 900.000 €, und das war sehr viel Geld. Ich habe immer gesagt, dass ich jede Aktion und jede Veränderung mitmache, die Sinn macht, wir aber im Finanzrahmen bleiben müssen.
Durch Herrn Berchtenbreiter hatten wir noch den Kirchenbauverein mit 40 Mitgliedern. Im Jahr des Kirchenbaus hatten wir dann knapp 25.000 € zusammen. Damit haben wir uns zum Beispiel die Altargestaltung leisten können.
Anfang 2009 hatten wir noch 20.000 € Schulden. Diese haben wir innerhalb von einem Jahr leicht weggebracht. Albert Schmid hat mich damals angerufen und gesagt, „dass er in Göggingen eine paar Leute kennt. Die Leute sind katholisch, gehen nicht in die Kirche aber haben Geld. Wenn wir die ansprechen, dann bekommen wir was zusammen.“ So waren wir dann nach einem Jahr schuldenfrei. Sonst hätten wir in den Jahren 2009/2010 auch nicht den Kirchturm bauen können. Der ist aber nur mit 60% bezuschusst worden und wir haben wieder rund 30.000 € zusammensammeln müssen, das ging aber ganz schnell. Du bekommst standardmäßig in der Kirche eher 100 mal 10 € wie einmal 1.000 €. Und die 10 € haben damals viele Leute gespendet.
Jetzt hast du ja mittlerweile selber Enkel. Was hat sich im Bezug auf Kinder und Kuratie und Enkel und Kuratie verändert?
Eduard Lutz: Da kann ja deine Frau [Julia Stöhr-Schlosser, Anm. d. Red.] am besten mitreden. Der Benedikt ist jetzt fünf und bei der Kinderkirche mit dabei, das ist schon sehr stark, was die Damen da jeden Monat bewerkstelligen.
Wie hat sich die Kuratie verändert?
Eduard Lutz: Ach was soll ich jetzt sagen. Ich sehe das nicht so negativ, wie das manche sehen und zwar aus dem Grund: Wenn jemand immer seine Generation im Blick hat, dann hat sich mit Sicherheit was verändert. Wenn du aber siehst, dass wieder jüngere Familien dazugekommen sind, dann hat sich wenig verändert.
Früher gab es eine Kuratieversammlung, ganz frei. Einmal im Sommer waren wir nur zu viert. Bei der Kuratieversammlung hast du aber den Nachteil gehabt, das von Sitzung zu Sitzung immer andere Leute gekommen sind. Man hat am Anfang von einer Sitzung immer eine halbe Stunde zum erklären gebraucht. Mit Pfarrer Berchtenbreiter haben wir dann sofort einen Pfarrgemeinderat eingeführt. Als Kirchenpfleger bin ich automatisch in den Pfarrgemeinderat gekommen. Ich bin dann immer wieder im Pfarrgemeinderat St. Georg und Michael dabei gewesen. Ich war auch in der Erlöserkirche dabei. Ich war 16 Jahre im Dekanatsrat, vier davon im Vorstand. Dann hat es auch noch einen Ökumenekreis gegeben, bei dem ich dabei war. Es hat Zeiten gegeben, da haben meine Freunde gesagt, dass wir uns nur treffen können, wenn ich nichts mit der Kirche vorhabe. Das ist jetzt in den letzten Jahren schon weniger geworden. Aus dem Dekanatsrat bin ich 2010 ausgetreten. Die Dekanate haben sich auch verändert. Der Dekanatsrat war eine schöne Erfahrung, besonders der Bereich in dem man über den Tellerrand schauen konnte, besonders zu schauen, was kann man besser machen als die anderen Pfarreien.
Wir haben für die Organisation eines Kuratiefests vor 30 Jahren die gleichen Probleme gehabt, Leute zu finden, die engagiert mitmachen, wie es jetzt ist.
Es haben sich die Generationen verändert, aber wenn ich jetzt das Engagement betrachte, dann kann ich sagen, so wesentlich weniger Engagement ist jetzt nicht da. Ich sitze zum Beispiel oft in der Kirche und freue mich, dass die sechs Mitglieder der Kirchenverwaltung nahezu jeden Sonntag im Gottesdienst sind. Wenn in der Kirchenverwaltung etwas zu besprechen ist, treffen wir uns oft anschließend im Foyer und besprechen es.
Früher waren vielleicht 50–80 Leute mehr in der Kirche, aber dafür kannst du jetzt sagen, dass die die heutzutage kommen überzeugter sind.
Es ist toll, wie Thomas Appel den Pfarrgemeinderat leitet. Das ist super zu sehen, mit welchem Engagement er den Pfarrgemeinderat führt und welche Ideen er einbringt. Er hat jetzt das Engagement, was ich vor 20 Jahren gehabt habe. Thomas macht das echt mit Herzblut.
Wenn du in die Kuratie kommst, hast du nicht das Gefühl, dass du in eine leere Kirche kommst. Wenn 100 Leute da sind, ist circa jeder zweite Platz besetzt. Es ist auch schön, dass man sich nach der Kirche im Foyer noch mit anderen Leuten austauschen kann.
Vielen Dank, Edi, für das Gespräch!
Herzlichen Dank an Luisa Ganso, die das (diesmal längere) Interview transkribierte. Das Gespräch führte und editierte Joachim Schlosser (auch Foto) als Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit des Pfarrgemeinderats der Kuratie St. Johannes Baptist.