Der Referent Alfred Brendle ist davon überzeugt, dass ein bewusster Lebensstil das eigene Wohlergehen fördert und zugleich das Wohl aller Menschen. „Gut leben – statt viel haben“ lautete der Titel seines anregenden Vortrages vor zahlreichem Publikum in der Kuratie.
Ein immer schnelleres Wachstum und stets zunehmender Konsum sind auf Dauer unmöglich. „Unsere Wirtschaftsweise ist kriminell“, so pointiert der Jesuitenprofessor und Volkswirt Friedhelm Hengsbach. Obwohl schon vor Jahrzehnten profunde Studien gravierende Änderungen unseres Lebensstils eingefordert haben, ist die Bilanz der umgesetzten Maßnahmen eher bescheiden.
Ein verbreiteter Irrtum ist die unsinnige Alternative: „vorwärts in den Abgrund“ oder „zurück zur Steinzeit“. Es gibt Ansätze, eine für alle nachhaltige Entwicklung zu unterstützen, ohne auf eigene Lebensfreude zu verzichten. Eine von BUND e.V. und MISEREOR beauftragte Langzeitstudie aus den Jahren 1996 und 2008 belegt, dass Deutschland sein „Naturkonto“ schon lange weit überzogen hat. Deswegen wurden Leitbilder entwickelt: Ein rechtes Maß für Zeit und Raum – damit ist die Frage verbunden, wie schnell und wie weit sich Menschen bewegen müssen, um gut leben zu können.
Von linearen zu zyklischen Produktionsprozessen – denn die Verantwortung für ein Produkt endet nicht am Werkstor. Güter sollen nicht auf der Müllhalde landen, sondern in einen intelligenten Recycling-Prozess eingebunden sein. Eine lernfähige Infrastruktur schafft es, Leerstände und Verfall von Gebäuden zu vermeiden. Alte Bauwerke können einen neuen Nutzen erhalten. Die Stadt als Lebensraum mit kurzen Wegen und die Regeneration von Land und Landwirtschaft können sich wechselseitig ergänzen. Das Postulat der internationalen Gerechtigkeit fördert die globale Nachbarschaft. Interessant ist die Bemerkung vom geistigen Vater der sozialen Markwirtschaft, Ludwig Erhard, aus dem Jahr 1957. Ihm zufolge besteht der Zweck der Wirtschaft darin, aus materieller Not zu befreien, um mehr Muse, Freizeit und Besinnung zu ermöglichen.
Die neuesten Trendforschungen zeigen, dass der Anteil von Bundesbürgern mit postmateriellen Wertvorstellungen auf über 30% zugenommen hat. Was tun? Energie effizient nutzen, ist das Gebot der Stunde. Das weltweite Internet verbraucht mehr Energie als der gesamte Flugverkehr. Die Transportverluste sind beim Strom enorm. Rund 20% ihrer Energie verwenden die Deutschen für Erzeugung, Transport, Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln. Fleischkonsum und Massentierhaltung tragen massiv dazu bei. Demgegenüber kann eine sorgfältige und genussvolle Esskultur die Lebensfreude steigern. Selber kochen hat mit Selbstverwirklichung zu tun!
Auch Elektroautos belasten die Umwelt – wie viel muss ich fahren? Weniger haben kann entlasten, Dinge gemeinsam nutzen, kann Gemeinschaft begünstigen. Zeitwohlstand statt Güterreichtum! Es geht nicht primär um Verzicht, sondern um ein umsichtiges Konsumverhalten, das uns nicht die Lebensfreude nimmt. „Ein Mensch ist reich in Proportion zu den Dingen, die sein zu lassen, er sich leisten kann“ (Henry David Thoreau, 1817-1862).
Thomas Seibert, Diplomtheologe