Das am meisten missverstandene Tier der Welt – so hat mal jemand gesagt – ist der Esel aus der Passionsgeschichte.
Was wurde ihm nicht schon alles angedichtet! Dass Jesus auf ihm in Jerusalem einzieht, sei der Ausdruck von Demut und Bescheidenheit. Jesus käme mit ihm nicht hoch zu Ross, sondern auf dem Reittier der kleinen Leute usw.
Nein, dieser Esel war nicht das Reittier kleiner Leute und kein Ausdruck von Bescheidenheit. Ganz im Gegenteil!
Der Esel war in der Ordnung des Alten Testaments und in der Tradition der Könige des alten Israels das Tier, auf dem ein neuer König zu seiner Krönung zu reiten hatte. Damit, dass Jesus nicht zu Fuß oder mit einem Wagen oder mit einem Pferd kam, sondern auf einem Esel, machte er ganz deutlich: Ich bin euer neuer König! Ich bin der, der die alten Verheißungen, wie sie der Prophet Sacharja ausgesprochen hatte, erfüllt. Ich bin der, die neue Heilszeit heraufführt. Und das heißt letztlich: Ich bin der, an dem euer Schicksal hängt! Das war nicht gerade bescheiden.
Aber die Leute am Straßenrand haben das genau verstanden. Deshalb haben sie ihm ja so zugejubelt. Deshalb priesen sie ihn ja als den, der kommt im Namen des Herrn. Das bewirkte – nicht nur, aber auch – der Esel!
Zujubeln ist das eine. Folgen/nachfolgen, das andere.
Das eine ging leicht. Beim anderen gingen die meisten nicht mehr mit. Aber Jesus braucht keine Anhänger, sondern Nachfolger.
Vielleicht wird genau das in unseren gegenwärtigen schwierigen Zeiten deutlich. Und was mache ich? Was machst du? Jubeln oder folgen?
Mit herzlichen Grüßen
Andreas Theurer, Kaplan
Bild: Palmesel, Bogliaco (Gardasee), Thomas Seibert