Eine Pandemie ist nicht gut – Panik auch nicht.
Der Evangelist Matthäus führt seine Leser immer wieder an bedeutsame Orte im Leben Jesu. An zentraler Stelle seines Evangeliums, in der Mitte (Kap 16), erzählt er, wie Jesus mit seinen Jüngern in das Gebiet von Caesaréa Philippi kam. Kaiser Augustus hatte die Gegend dem jüdischen Vasallen-König Herodes geschenkt, warum auch immer. Es war abgelegen. Dort entspringt aus einem Felsen ein Quellfluss des Jordan. Klares Wasser. Daneben ein antiker Tempel für die Gottheit Pan. Er soll die Hirten beschützen. Für die passende Musik sorgt die Panflöte. Der benachbarte Höhleneingang galt als Pforte der Unterwelt. Das kann Angst auslösen, im schlimmsten Fall Panik, die ihren Namen dem Pan verdankt. Er war nicht nur für die Hirten, sondern auch für die Unterwelt zuständig. Hirten hatten oft Angst. Ängstliche Hirten gibt es zu jeder Zeit. Hirten kümmern sich um alle, die ganze Herde. Das griechische Wort für „alles“ heißt „pan“. Pandemie hat damit zu tun.
Also: In diesem Umfeld stellt Jesus seinem Team die entscheidende Frage: „Für wen halten die Menschen den Menschensohn?“
Beim bibelfesten antiken Leser klingelt es bei diesem Begriff. Das apokalyptische (endzeitliche) Buch Daniel spricht vom Menschensohn als dem Vertreter der ganzen Menschheit, dem Gott nach dem Endgericht die Herrschaft übergibt.
Es geht um das Ganze, um alles! Getreu geben die Jünger die ernüchternde Auskunft: „Die einen für Johannes den Täufer, andere für Elíja, wieder andere für Jeremía oder sonst einen Propheten.“ Die Meinung über Jesus ist höchst unklar.
Umso erfreulicher ist das erstmalige offene und klare Bekenntnis des Petrus. „Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Simon Petrus antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes! Jesus antwortete und sagte zu ihm: Selig bist du, Simon Barjóna; denn nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Ich aber sage dir: Du bist Petrus – der Fels – und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen (V18).
Der erste der Jünger, Simon, erhält von Jesus den Namen „Fels“, auf Griechisch „Kephas“. Wer einen felsenfesten Glauben wie Petrus hat, muss keine Angst mehr haben vor den dunklen Mächten der Welt und Unterwelt.
Ein kirchengeschichtlicher Einschub: Besondere Beachtung erlangte der Vers 18 „Du bist Petrus …“ Die katholische Kirche begründet ihre Vollmacht der geistlichen Ämter mit diesem Vers. In gemeinsamer Lektüre mit der Weitergabe der geistlichen Vollmacht durch Handauflegung der Apostel (Apostelgeschichte) ist daraus die Lehre von der sogenannten apostolischen Sukzession (Nachfolge) entstanden. Angefangen vom Apostel Petrus bis zu den heutigen Bischöfen wird die geistliche Vollmacht, das Amt der Lehre und der Leitung, weitergegeben. Und die Bischöfe geben es allen Priestern weiter.
Martin Luther hatte im 16. Jahrhundert im Blick auf kirchliche Missstände damit ein Problem. Er übersetzte den griechischen Originalbegriff „Ekklesia“ mit „Gemeinde“. („Ekklesia“ wörtlich: „die Herausgerufene“; spätere Übersetzung: „Kirche“ vom griechischen „Kyrike“, wörtlich: Gotteshaus, was sich von „Kyrios“, auf Deutsch „Herr“, ableitet). Die evangelischen Glaubensgeschwister betonten die Bedeutung der Gemeinde vor Ort, die katholische Lehre setzt den Akzent auf die Gesamtkirche und die apostolische Nachfolge. Darum ist in der Kuppel des Petersdoms der Vers 18 groß und in Gold verewigt.
Zurück zur biblischen Zeit: „Ich werde dir (Petrus) die Schlüssel des Himmelreichs geben; was du auf Erden binden wirst, das wird im Himmel gebunden sein, und was du auf Erden lösen wirst, das wird im Himmel gelöst sein.“ Die bedrängte Gemeinde zur Zeit des Matthäus durfte vertrauen, dass der Himmel Gottes sich öffnet. Petrus und alle, die im Glauben Jesus treu nachfolgen, haben den Schlüssel in der Hand. Denn es gibt eine lebendige Wechselwirkung von der irdischen Welt und der göttlichen. Beide Bereiche gehören zusammen.
Auf das Vertrauen kommt es an! Petrus ist ein gutes Vorbild, aber eben nicht perfekt – so wie wir. Vermutlich deswegen schiebt Matthäus, der die Schwächen seiner Leser kennt, zwei kritische Sätze hinterher: „Dann befahl er den Jüngern, niemandem zu sagen, dass er der Christus sei.“ – Das bloße Lippenbekenntnis könnte missverstanden werden und zu einer falschen Überheblichkeit führen. Überheblichkeit ist eine große Gefahr!
Glaube muss sich in schwierigen Lebenslagen bewähren. Als Jesus vom Leiden spricht, will Petrus davon nichts wissen: „Das soll Gott verhüten.“ Jesu Antwort ist heftig: „Petrus, weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Du willst mich zu Fall bringen; denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen“ (V23).
Gottes Wille kann unbequem werden – dennoch dürfen wir als Christen immer auf Gottes Treue vertrauen – keine Panik!
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