Die Kirche ist, wie die Sonne, für alle da. Für Gerechte und Ungerechte, Sympathen und Unsympathen, Dumme und Gescheite; für Sentimentale ebenso wie für Unterkühlte, für Neurotiker, Psychopathen, Sonderlinge, für Heuchler, für Feiglinge und Helden, Großherzige und Kleinliche. Für zwanghafte Legalisten, hysterische Verwahrloste, Infantile, Süchtige und Perverse. Auch für kopf- und herzlose Bürokraten, für Fanatiker und auch für eine Minderheit von gesunden, ausgeglichenen, reifen, seelisch und geistig begabten, liebensfähigen Naturen.
Die lange Liste ist nötig, um klarzumachen, was man eigentlich von einer Kirche, die aus allen Menschensorten ohne Ansehen der Person, von den Gassen und Zäunen wie wahllos zusammengerufen ist und deren Führungspersonal aus diesem bunten Vorrat stammt, erwarten kann – wenn nicht ständig Wunder der Verzauberung stattfinden, die uns niemand versprochen hat.
Heilige, Erleuchtete und Leuchtende sind uns versprochen. Wer sie sucht, kann sie finden. Wer sie nicht sucht, wird sie nicht einmal entdecken, wenn sie jahrelang neben ihm gehen, weil er sie vielleicht nicht wahrhaben will oder kann. Mancher scheint zu meinen, er könne eine andere Kirche fordern, der die Heiligkeit, Weisheit und Liebe aus den Augen leuchtet. Das kann er nicht. Der immer und überall anwesende Geist ist ein verborgener Gott. Ein Gott, der sich zeigt, wann und wem er will. Er preist die selig, die nicht sehen und doch glauben.
Albert Görres, 1988
Ihnen allen segensreiche Wochen in der Fasten- und Osterzeit wünscht Nikolaus Bernhard