Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft zu leben.
(Hermann Hesse, 1877-1962, Stufen, Das Glasperlenspiel)
Dinge vergehen – Neues beginnt. Der älteste und erste Evangelist Markus, ein unbekannter Verfasser hellenistisch-römischer Tradition, blickt auf einen Scherbenhaufen. Das kulturelle Zentrum des Judentums, der Tempel von Jerusalem, war von den Römern 70 n. Chr. zerstört. Mit diesem Datum begann die weltweite Zerstreuung der Juden, die Diaspora. Ein Volk hatte seine Heimat verloren und musste sich neue Orte suchen.
Die literarische Gattung „Evangelium“ geht auf Markus zurück – ein Kunstgriff. Denn gewöhnlich galt in der Antike dieser Begriff für eine “gute” Botschaft des römischen Kaisers. Schon der erste Satz des Markus setzt treffsicher einen Kontrapunkt. Nicht der römische Kaiser ist der Heilsbringer, sondern Jesus Christus. Es geht für die Gläubigen um einen völligen Neuanfang. Leider ist die traurige, aber oft ehrliche Erfahrung, dass etwas zu Grunde gehen muss, damit Neues beginnen kann. Die Tragik bleibt. Wüstenerfahrung! Trotzdem: Die Hoffnung lebt!
„Anfang des Evangeliums von Jesus Christus, dem Sohn Gottes: Es begann, wie es bei dem Propheten Jesaja steht: Ich sende meinen Boten vor dir her; er soll den Weg für dich bahnen. Eine Stimme ruft in der Wüste: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! So trat Johannes der Täufer in der Wüste auf und verkündigte Umkehr und Taufe zur Vergebung der Sünden. Ganz Judäa und alle Einwohner Jerusalems zogen zu ihm hinaus; sie bekannten ihre Sünden und ließen sich im Jordan von ihm taufen. Johannes trug ein Gewand aus Kamelhaaren und einen ledernen Gürtel um seine Hüften, und er lebte von Heuschrecken und wildem Honig. Er verkündete: Nach mir kommt einer, der ist stärker als ich; ich bin es nicht wert, mich zu bücken, um ihm die Schuhe aufzuschnüren. Ich habe euch nur mit Wasser getauft, er aber wird euch mit dem Heiligen Geist taufen.“ (Kap 1, 1-8)
Das leider oft abgenutzte und inflationäre Wort „neu“ hat bei Markus seine volle Berechtigung. Er lädt uns ein, sich mit Jesus Christus auf den Weg zu machen. ER, der Herr, geht voraus. Wir dürfen folgen.
„Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“
Bild: Hl. Markus, Bibliotheca Apostolica Vaticana, gemeinfrei
Thomas Seibert