Als unser normales Alltagsleben wegen „Corona“ zum Stillstand kam und wir lernen mussten, die neuen ungewohnten Regeln zu beachten, war das Schlagwort ABSTAND HALTEN fast zu einem Zauberwort geworden.
Aber wie sollen Pflegekräfte in Altenheimen und Sozialstationen Abstand halten, wenn sie bei der Pflege ganz nah am Menschen sein müssen? Durch die Gesichtsmasken entstellt, verlieren die Pflegebedürftigen die vertraute Nähe zu ihnen. Wenn Demenz-Kranke immer wieder nach dem Warum fragen, sind Antworten nur schwer zu vermitteln.
Da hilft nur viel Geduld und Einfühlungsvermögen – trotz großer Zeitnot. Erschwert wird die Situation noch durch ungenügende Schutzausrüstung. Vor allem, wenn die Gesichtsmasken, die unbedingt aufgesetzt werden müssen, in den ersten Wochen schnell zu Ende gingen und es keine professionellen Masken zu kaufen gab. In der Not halfen fleißige Hausfrauen aus, die solche Masken in Heimarbeit nähten.
Als ehemalige Mitarbeiterin der Sozialstation habe ich einige Kollegeninnen von früher telefonisch oder bei einem zufälligen Treffen vor der Sozialstation gefragt, wie es ihnen geht.
Dabei erfuhr ich, dass schon im März das eintrat, was alle am meisten befürchtet hatten:
Eine von der Sozialstation betreute Patientin hatte verdächtige Symptome, sie wurde auf Covid 19 positiv getestet und kam ins Krankenhaus. Corona war angekommen. Die Folge war, dass 7 Schwestern, die diese Patientin in der Inkubationszeit zu verschiedenen Tageszeiten betreut und gepflegt hatten, ausfielen und sofort in Quarantäne gehen mussten. Obwohl sie keine verdächtigen Symptome zeigten und vom Gesundheitsamt nicht getestet wurden, mussten sie zu Hause ihre Zeit verbringen.
Für die Sozialstation entstand eine extrem belastende Lage, fehlte doch nun fast ein Drittel der Pflegefachkräfte. Die Einsatzpläne mussten geändert und die übrigen Mitarbeiter entsprechend mehr Einsätze auf ihren Touren bewältigen. Eine Schwester sagte mir, sie sei jeden Tag mit einem mulmigen Gefühl unterwegs gewesen. Die Angst fuhr ständig mit, selbst infiziert und Überträger des Virus zu werden und dadurch auch ihre eigene Familie zu gefährden.
Inzwischen hat sich die Situation beruhigt. Das Personal ist wieder fast vollständig im Einsatz und einigermaßen mit Schutzmasken ausgerüstet. Der Leiter der Sozialstation, Herr Blochum, ist im Krisenstab der Stadt Augsburg aktiv, wo nach praktikablen Lösungen für alle Pflegedienste gesucht wird. Richtlinien und Empfehlungen gibt es genug. Bei der Umsetzung aber ist viel Eigeninitiative gefragt, und Herr Blochum engagiert sich außerordentlich.
Die Mitarbeiter schätzen den guten Zusammenhalt und die große Hilfsbereitschaft untereinander. Sie fühlen sich von der Stations- und Pflegedienstleitung gut betreut und sind wie immer hoch motiviert.
Natürlich ist allen bewusst, dass diese Krise noch lange nicht durchgestanden ist. Die Infektionsgefahr ist nach wie vor sehr hoch und jeder Tag kann wieder eine überraschende, kritische Situation für die Sozialstation und ihr Pflegeteam bringen.
So hoffen wir alle, dass die Patienten unserer Sozialstation, die jetzt noch einsamer sind als sonst, sich auch weiterhin auf den Besuch ihrer vertrauten Pflegekräfte verlassen dürfen und diese nicht müde werden und gesund bleiben.
Edith Berzl, ehemalige Mitarbeiterin der Kath.– Evang. Sozialstation Göggingen