Vom „Kampf gegen einen unsichtbaren Feind“ ist die Rede. Doch die Medien haben die Kraft, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Und so sehen Millionen Menschen jeden Tag das bedrohlich rote Bild vom Virus. Dieses Bild ist auf vielen Kanälen präsent – fast schon ein vertrauter Gast in unserem Wohnzimmer. Dazu ganz viele Zahlen, die im Grunde keine wirkliche Besserung erkennen lassen und die Hoffnung auf Impfstoffe, die auch keine Allmacht haben. ASTRA, lateinisch: Die Sterne. Das klingt hoffnungsvoll. Wonach greifen wir? SENECA war ein römischer Philosoph, bekannt für die Lehre der Stoa. Dabei geht es um Gelassenheit und Gleichmut. Was die Marketing-Leute zu der Namensgebung AstraZeneca bewogen hat, weiß ich nicht. Mir ist der Buchstabe „Z“ aufgefallen – vielleicht soll auf den ZEN-Buddhismus angespielt werden. Hoffnung und Enttäuschung gehören oft zusammen – das haben wir als Familie schon gelernt und lernen es in diesen Tagen wieder neu. Dann sind Gelassenheit und Gleichmut vielleicht die besseren Wegbegleiter? Wer nicht an Gott glaubt, kann es ja mit ZEN versuchen.
In Zeiten der Not und der Angst werden schnell Schuldige gesucht. Im Alten Testament gab es den Sündenbock, den man symbolisch mit dem ganzen Unheil beladen hat, um ihn dann in die Wüste zu jagen. So hoffte man, das Übel loszuwerden. Die gegenwärtig oft ohnmächtigen Macher in ihrer unglücklichen Haut sollen für heilbringende Ergebnisse sorgen: bitte endlich „liefern“! „Lieferschwierigkeiten“ – das ist nur eine von vielen Erklärungen. Klärung? Und was machen die eingeflogenen Mutanten? Nach gerechten und ungerechten Regeln frage ich schon nicht mehr. Es bleibt die Sehnsucht nach Heil.
Wie soll es weitergehen? Was tun? Jemand muss machen, dass unser altes Leben wieder geht. BIO steht für Leben und TECH für Technik, griechisch: Handwerk, Kunst. Worauf gründen wir unser Leben? Was trägt – auch im Scheitern?
Ich habe größten Respekt vor den vielen Menschen, die ihr Bestes geben, damit es wieder erträglicher wird. Und ich bemühe mich, meinen kleinen Beitrag zu leisten, damit der Alltag geschützt laufen kann. Den Leuten in der Pharmabranche bin ich noch heute dankbar für ein Medikament, das bei unserem Sohn das Schlimmste verhindert hat. Wirklich dankbar! Trotzdem bin ich ernüchtert, so wie der leidgeplagte Hiob, eine der großartigsten Figuren der Weltliteratur, die uns genau jetzt in der kirchlichen Leseordnung begegnet.
„Hiob ergriff das Wort und sprach:
Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde? Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners? Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt, wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet. So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu. Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehen? Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert. Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage, sie gehen zu Ende, ohne Hoffnung. Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist! Nie mehr schaut mein Auge Glück.“ (7, 1–4.6–7)
Es gibt, so meine trotzige Antwort auf die vielen aufgerissenen Fragen, eine Hoffnung, die nicht enttäuscht werden kann! Nur ein Hauch? Nein! Leben in Fülle!
Thomas Seibert, Diplomtheologe
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