Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Aschermittwoch beginnen wir auch in diesem Jahr die österliche Bußzeit.
Uns wird diese Zeit geschenkt, um uns in Gott festzumachen und dann an Ostern unsere Gottesbeziehung und unseren Osterglauben zu feiern. Als Orientierung für diese Zeit kann uns das Doppelgebot der Liebe gute Dienste erweisen: Gottesliebe und Nächstenliebe. Zum Gebot der Nächstenliebe bin ich vor einiger Zeit auf einen Artikel in einem Themenheft der Reihe ANDERS HANDELN (ANDERE ZEITEN E.V.) gestoßen, der mich sehr bestärkt hat. Es gibt nämlich nur ein Doppelgebot und kein Dreifachgebot, um es einmal so klar und einfach zu sagen. Die Übersetzung des Gebots aus der hebräischen Tora ist nicht ganz geglückt. In Lev 19,18 heißt es: „Halte lieb deinen Nächsten, dir gleich.“ – „Dir gleich“ soll den Nächsten näher beschreiben, mir die Augen öffnen, wer er ist. Jeder Mensch ist Gottes Ebenbild und daraus erwächst seine Liebenswürdigkeit. In dem Artikel klingt dann auch die Frage auf: Kann man seine Liebe von der Gemütsverfassung, in der man sich gerade befindet, abhängig machen? Soll oder kann man den anderen Menschen nur lieben, wenn man selbst im Gefühl der Liebe ist? Das Gebot der Nächstenliebe dürfen wir ruhig in dieser Version hören: „Liebe deinen Nächsten, denn er ist wie du.“ – Ja, der Mensch, der mir jetzt begegnet ist angewiesen auf Liebe, Zuwendung, achtsamen Umgang, Ermutigung, Bestärkung, Trost … so wie Sie und ich. Davon leben wir und die Zeit, in die wir gerade gestellt sind, macht uns das gera-de eindrücklich bewusst. Vielleicht fragen Sie jetzt: Und wo bleibe ich? – Trauen Sie sich, sich als geliebtes Geschöpf des Schöpfers zu sehen. Wie ich bin, so lässt mich Gott gerade leben. Mit all meinen Gefühlen und Kräften, allen Regungen des Herzen und allen Gedanken meines Verstandes kann ich mich an ihn hängen. Nichts muss ich verbergen vor ihm und deshalb weiß ich mich als von Gott geliebter Mensch. Wo mir das aufgeht, da kann ich dann den Schöpfer ja lieben, weil er mich so leben lässt. In seinen Augen bin ich ein liebenswertes Geschöpf. Mich müssen nicht alle Menschen lieben – das wird gar nicht möglich sein. Doch von Gottes Liebe wird mich nichts und niemand abbringen können. Denn seine Liebe ist größer als alle Bosheit der Welt, aller Hass in und unter den Menschen, alle Lieblosigkeit in mir und um mich herum. Ja, seine Liebe bezwingt sogar den Tod. Denn Liebe will das Leben. Vierzig Tage haben wir Zeit, uns diesem Gott wieder neu zu öffnen und unserem Nächsten. Ich wünsche Ihnen eine erlebnisreiche, kraftschenkende und das Vertrauen zu Gott bestärkende Zeit – ob allein oder in der Beglei-tung mit guten Wegbegleitern und Gesprächspartnern – vielleicht auch im Austausch über diesen Impuls.
Ihr Pfarrer Nikolaus Wurzer M.A.