Spurwechsel
Das Autofahren in Großstädten ist kein Vergnügen. Im morgendlichen Wiener Verkehrsfiasko rief mein Sohn recht schrill: „Papa, du kannst hier nicht einfädeln und die Spur wechseln. Das ist viel zu kurz.“ – „Doch, das geht“, sagte ich, schaute in die beiden Rückspiegel, blinkte, gab Gas und zog beharrlich und etwas knapp auf die andere Spur. Dieses Manöver ist manchmal wie ein Spiel, das zeigt, wer die besseren Nerven hat. Wer in Italien Auto fährt, kennt das.
Oft ist es auch im eigenen Leben nicht so einfach, etwas zu verändern, sich neu zu orientieren und die „Spur zu wechseln“. Nicht selten lassen Menschen etwas zu lange Zeit laufen und finden sich damit ab, einen einmal eingeschlagenen Weg nicht zu korrigieren. Lieber bewegen sie sich – von allen Seiten eingezwängt – mit der Masse, obwohl sie sehen, dass die Richtung nicht stimmt.
Also: Wer im Leben etwas verändern will, braucht Mut und Entschiedenheit und ein Gespür für den passenden Augenblick. Die Theologen reden vom „Kairos“. Dabei ist es wichtig, auf die Stimme der eigenen Seele zu achten, an die Mitmenschen zu denken und Kompromisse zu finden.
„Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium!“ (Markus 1,15)
Eine vollkommene Total-Umkehr aus dem Stand heraus ist nicht einfach. Manchmal genügt es, in einer bestimmten Lage nur die Richtung zu ändern.
Thomas Seibert, Diplomtheologe