Er hätte gern noch einige Jahre gelebt. Es machte ihm Freude, Dinge zu gestalten. Doch nun kam es anders. Die letzten Tage verbrachte er im Koma. Seine Frau war ratlos. Vieles wäre noch zu sagen gewesen. Die Zeit für ein Gespräch war vorbei. Ich sagte zu meiner Tante: „Setze dich einfach zu ihm und erzähle von eurer gemeinsamen Zeit. Ihr habt so vieles erlebt. Er kann nicht mehr antworten, aber er kann dich hören. Das Gehör bleibt bis zum Ende erhalten. Und einfach Schweigen darf auch sein.” Seine Tochter in Mittelamerika war auf dem Weg. Leider schaffte sie es nicht mehr rechtzeitig. Sie sprach ihre liebevollen letzten Worte an den Papa über das Smartphone. Es ging. – Wenn die Maschine neben dem Bett des Sterbenden einen monotonen Dauerton sendet und die Anzeigen aufgeregt blinken, kommt die große Ruhe – Schweigen.
Es ist nicht einfach, Schweigen auszuhalten. Das gilt nicht nur für das Lebensende! Es gibt eine Zeit der Worte und eine Zeit der Stille.
Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart schrieb dazu: „Seht, nun war da niemand mehr als Jesus allein, und er begann, in dem Tempel zu sprechen. Seht, dies sollt ihr fürwahr wissen: Will jemand anders in dem Tempel, das ist in der Seele, reden als Jesus allein, so schweigt Jesus, als sei er nicht daheim, und er ist auch nicht daheim in der Seele, denn sie hat fremde Gäste, mit denen sie redet. Soll aber Jesus in der Seele reden, so muss sie allein sein und muss selbst schweigen, wenn sie Jesus reden hören soll“ (Predigt 1).
Wenn im Tempel meiner Seele zu viele Stimmen sind, kann Jesus nicht zu Wort kommen. Schweigen ist wie eine Berührung mit der göttlichen Quelle. Schweigen als himmlische Kommunikation.
„Ich bin dein, du bist mein.“ Angelehnt an diesen Satz der mittelalterlichen Liebeslyrik formulierte der Heilige Nikolaus von Kues im Blick auf Jesus: „Wie wirst du dich mir geben, wenn du mich nicht mir selbst gibst? Und wenn ich so im Schweigen der Betrachtung verstumme, antwortest du mir, Herr, tief in meinem Herzen und sagst: Sei du dein, und ich werde dein sein“ (De Visione Dei, Kap VII).
Im liebevollen Schweigen sich berühren.
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