Es gibt Situationen ohne einen guten Ausweg. Trotzdem dagegen ankämpfen, ist die eine Möglichkeit, sich damit abfinden die andere. Dauernde Mühe ohne Erfolg führt zur Erschöpfung. Resignation taugt auch nicht.
Kurz vor Kriegsende wurde am 9. März 1945 im niederschlesischen Girlachsdorf Karin Ilse Witkiewicz geboren. Die Flucht der Familie führte in den West-Berliner Ortsteil Reinickendorf, wo sie in der Epensteinstraße ein neues Zuhause fand. Ein prägendes Ereignis, denn später leitete die junge Jazz-Musikerin und Liedermacherin ihren Künstlernamen davon ab: Katja Ebstein. Die studierte Archäologin und Romanistin lernte 1967 den Komponisten Christian Bruhn kennen, der ihr Ehemann und Produzent wurde. Nach einigen mäßigen Erfolgen kam am 16. Februar 1970 der Durchbruch. Sie gewann die deutsche Vorentscheidung zum Eurovisionsfestival; in Amsterdam erreichte sie den dritten Platz. Dies war der Start in ihre internationale Karriere.
In jener Zeit tobte seit vielen Jahren der erfolglose und zunehmend brutale Vietnam-Krieg der Amerikaner, der zahllose Opfer forderte. Seit 1968 entwickelte sich in den USA und in West-Europa eine breite Protestbewegung, die mit der Hippie-Szene einherging. Alkohol und Drogen gehörten dazu. In diesem Umfeld steht jenes Lied:
„Viele Menschen fragen // Was ist schuld daran // Warum kommt das Glück // Nicht zu mir? // Fangen mit dem Leben // Viel zu wenig an. // Dabei steht das Glück // Schon vor der Tür.
Wunder gibt es immer wieder // Heute oder morgen // Können sie geschehn. // Wunder gibt es immer wieder // Wenn sie dir begegnen // Musst du sie auch sehn.
Viele Menschen suchen // Jeden Tag auf’s neu // Jemand der sein Herz // Ihnen gibt. // Und wenn sie schon glauben // Er kommt nie vorbei // Finden sie den einen // Der sie liebt.“
Manchmal warte ich auf ein Wunder – aber es kommt nicht. Und so blieb der Text des Evangelisten Markus bei mir zunächst ohne inneres Echo zurück.
„In jener Zeit verließ Jesus das Gebiet von Tyrus und kam über Sidon an den See von Galiläa, mitten in das Gebiet der Dekápolis. Da brachten sie zu ihm einen, der taub war und stammelte, und baten ihn, er möge ihm die Hand auflegen. Er nahm ihn beiseite, von der Menge weg, legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Éffata!, das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden. Jesus verbot ihnen, jemandem davon zu erzählen. Doch je mehr er es ihnen verbot, desto mehr verkündeten sie es. Sie staunten über alle Maßen und sagten: Er hat alles gut gemacht; er macht, dass die Tauben hören und die Stummen sprechen“ (Markus 7, 31–37).
Beim zweiten Lesen kam mir der Refrain von Ebsteins Lied in den Sinn. Vielleicht besteht das Wunder nicht zuerst darin, dass ein körperliches Leiden beendet wird. Das Wunder ist, dass Gott selbst zu uns Menschen kommt und uns liebevoll berührt.
Manches Unheil bleibt – Gottes Liebe ist größer.
Thomas Seibert
Bildzitat: Katja Ebstein, Liedtext: Carsten Gerlitz / Christian Bruhn / Guenter Loose